edition:conrad:007

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 Einige Tage später hatte ich wirklich Grund, die Bekanntschaft der Griechin zu bedauern. Es war am Himmelfahrtstage, und da die Feierlichkeit mit dem Bucentoro ganz in der Nähe der Festung stattfand, so kam Herr Rosa mit der Frau Orio und ihren beiden hübschen Nichten, und ich hatte das Vergnügen, ihnen in meinen. Zimmer das Mittagessen anbieten zu können. Später war ich mit meinen Freundinnen in einer abgelegenen Kasematte ganz allein, und sie bedeckten mich mit ihren Küssen. Ich fühlte, daß sie einige Liebesbeweise von mir erwarteten; aber um ihnen nicht ein peinliches Geständnis machen zu müssen tat ich, als befürchtete ich eine Überraschung, und sie mußten sich wohl oder übel zufrieden geben. Einige Tage später hatte ich wirklich Grund, die Bekanntschaft der Griechin zu bedauern. Es war am Himmelfahrtstage, und da die Feierlichkeit mit dem Bucentoro ganz in der Nähe der Festung stattfand, so kam Herr Rosa mit der Frau Orio und ihren beiden hübschen Nichten, und ich hatte das Vergnügen, ihnen in meinen. Zimmer das Mittagessen anbieten zu können. Später war ich mit meinen Freundinnen in einer abgelegenen Kasematte ganz allein, und sie bedeckten mich mit ihren Küssen. Ich fühlte, daß sie einige Liebesbeweise von mir erwarteten; aber um ihnen nicht ein peinliches Geständnis machen zu müssen tat ich, als befürchtete ich eine Überraschung, und sie mußten sich wohl oder übel zufrieden geben.
  
-Meiner Mutter hatte ich mit allen Einzelheiten geschrieben, was mir begegnet war, und wie der Abbate Grimani mich zu behandeln sich erlaubte; sie antwortete mir, sie habe dem Abbate geschrieben, wie es die Umstände verlangten, und sie bezweifle nicht, daß er mich würde in Freiheit setzen lassen; den Erlös der Möbel, die er durch Razzetta habe verkaufen lassen, habe Herr Grimani sich verpflichtet, als Erbteil meinem jüngsten Bruder zukommen zu lassen.+Meiner Mutter hatte ich mit allen Einzelheiten geschrieben, was mir begegnet war, und wie der Abbate [[glossary:Grimani|Grimani]] mich zu behandeln sich erlaubte; sie antwortete mir, sie habe dem Abbate geschrieben, wie es die Umstände verlangten, und sie bezweifle nicht, daß er mich würde in Freiheit setzen lassen; den Erlös der Möbel, die er durch Razzetta habe verkaufen lassen, habe Herr Grimani sich verpflichtet, als Erbteil meinem jüngsten Bruder zukommen zu lassen.
  
 – Diese letztere Zusage war eine Betrügerei; denn über dieses Erbe wurde erst dreizehn Jahre später abgerechnet, und auch das nur zum Schein. Ich werde am gelegenen Ort von diesem unglücklichen Bruder sprechen, der vor zwanzig Jahren zu [[glossary:Rome|Rom]] im Elend gestorben ist. – Diese letztere Zusage war eine Betrügerei; denn über dieses Erbe wurde erst dreizehn Jahre später abgerechnet, und auch das nur zum Schein. Ich werde am gelegenen Ort von diesem unglücklichen Bruder sprechen, der vor zwanzig Jahren zu [[glossary:Rome|Rom]] im Elend gestorben ist.
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 Mitte juni kehrten die Cimarioten nach der Levante zurück, und es blieb in der Festung nur die gewöhnliche Besatzung. In meiner verlassenen Lage plagte mich die Langeweile dermaßen, daß ich zuweilen fürchterliche Wutanfälle bekam. Mitte juni kehrten die Cimarioten nach der Levante zurück, und es blieb in der Festung nur die gewöhnliche Besatzung. In meiner verlassenen Lage plagte mich die Langeweile dermaßen, daß ich zuweilen fürchterliche Wutanfälle bekam.
 Die Hitze war sehr stark und fiel mir sehr lästig; ich mußte daher an Herrn Grimani schreiben und ihn um zwei Sommeranzüge bitten; ich bezeichnete ihm den Ort, wo sie sich befinden müßten, wenn nicht etwa Nazzetta sie verkauft hätte. Acht Tage später befand ich mich gerade beim Major, da sah ich diesen elenden Burschen eintreten und mit ihm ein Individuum, das er uns als Petrillo vorstellte, den berühmten Günstling der Kaiserin von Rußland, der von St. Petersburg komme. Statt berühmt hätte er sagen sollen niederträchtig und statt Günstling: Hanswurst. Die Hitze war sehr stark und fiel mir sehr lästig; ich mußte daher an Herrn Grimani schreiben und ihn um zwei Sommeranzüge bitten; ich bezeichnete ihm den Ort, wo sie sich befinden müßten, wenn nicht etwa Nazzetta sie verkauft hätte. Acht Tage später befand ich mich gerade beim Major, da sah ich diesen elenden Burschen eintreten und mit ihm ein Individuum, das er uns als Petrillo vorstellte, den berühmten Günstling der Kaiserin von Rußland, der von St. Petersburg komme. Statt berühmt hätte er sagen sollen niederträchtig und statt Günstling: Hanswurst.
-Der Major lud sie ein, Platz zu nehmen. Razzetta nahm dem Grimanischen Gondoliere ein Paket ab und übergab es mir mit den Worten: »Da bring' ich dir deine Lumpen.«+Der Major lud sie ein, Platz zu nehmen. Razzetta nahm dem Grimanischen [[glossary:gondola|Gondoliere]] ein Paket ab und übergab es mir mit den Worten: »Da bring' ich dir deine Lumpen.«
  
 Ich antwortete ihm: »Der Tag wird kommen, wo ich dir deinen rigano ((Galeerensträflingsjacke)) bringe.« Ich antwortete ihm: »Der Tag wird kommen, wo ich dir deinen rigano ((Galeerensträflingsjacke)) bringe.«
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 und erzählte mir: »Ich bin der Graf Bonafede. In jungen Jahren diente ich unter dem Prinzen Eugen; doch verließ ich den Militärdienst und trat als Beamter in den österreichischen Verwaltungsdienst über; infolge eines Zweikampfes ging ich später nach Bayern. Dort, in München, machte ich die Bekanntschaft einer jungen Dame von Adel, entführte sie und ging mit ihr nach Venedig, wo ich sie heiratete. Seit zwanzig Iahren lebe ich hier; ich habe sechs Kinder und bin in der ganzen Stadt bekannt. Vor acht Tagen schickte ich meinen Lakai auf die flandrische Post, um meine Briefe abzuholen; man wollte sie ihm aber nicht aushändigen, weil er kein Geld bei sich hatte, um das Porto zu bezahlen. Ich ging selber hin und erklärte, ich würde das Porto am nächsten Posttag bezahlen; vergebens; ich bekam meine Briefe nicht. Hierüber aufgebracht, begebe ich mich zum Direktor der Post, Baron Taris, und beschwere mich; er antwortet mir, man habe nur auf seinen Befehl gehandelt und meine Briefe würden mir nicht ausgehändigt werden, wenn ich nicht das Porto bezahlte. Und dies sagte er in so grobem Ton, daß ich vor Entrüstung außer mir war. Da ich in seinem Hause war, besaß ich Selbstbeherrschung genug, um an mich zu halten; aber eine Viertelstunde darauf schrieb ich ihm einen Brief und verlangte Genugtuung; ich teilte ihm mit, daß ich nur noch mit dem Degen an der Seite ausgehen und daß ich, einerlei wo ich ihn träfe, ihn zwingen würde, mir Genugtuung zu geben. und erzählte mir: »Ich bin der Graf Bonafede. In jungen Jahren diente ich unter dem Prinzen Eugen; doch verließ ich den Militärdienst und trat als Beamter in den österreichischen Verwaltungsdienst über; infolge eines Zweikampfes ging ich später nach Bayern. Dort, in München, machte ich die Bekanntschaft einer jungen Dame von Adel, entführte sie und ging mit ihr nach Venedig, wo ich sie heiratete. Seit zwanzig Iahren lebe ich hier; ich habe sechs Kinder und bin in der ganzen Stadt bekannt. Vor acht Tagen schickte ich meinen Lakai auf die flandrische Post, um meine Briefe abzuholen; man wollte sie ihm aber nicht aushändigen, weil er kein Geld bei sich hatte, um das Porto zu bezahlen. Ich ging selber hin und erklärte, ich würde das Porto am nächsten Posttag bezahlen; vergebens; ich bekam meine Briefe nicht. Hierüber aufgebracht, begebe ich mich zum Direktor der Post, Baron Taris, und beschwere mich; er antwortet mir, man habe nur auf seinen Befehl gehandelt und meine Briefe würden mir nicht ausgehändigt werden, wenn ich nicht das Porto bezahlte. Und dies sagte er in so grobem Ton, daß ich vor Entrüstung außer mir war. Da ich in seinem Hause war, besaß ich Selbstbeherrschung genug, um an mich zu halten; aber eine Viertelstunde darauf schrieb ich ihm einen Brief und verlangte Genugtuung; ich teilte ihm mit, daß ich nur noch mit dem Degen an der Seite ausgehen und daß ich, einerlei wo ich ihn träfe, ihn zwingen würde, mir Genugtuung zu geben.
-»Ich bin ihm nirgends begegnet; gestern aber wurde ich vom Inquisitionssekretär angesprochen. Er sagte mir, ich müsse die Unhöflichkeiten des Barons vergessen und mich mit dem Offizier, der bei ihm wäre, als Gefangener nach dem Fort Sant' Andrea begeben; er versicherte mir zugleich, er werde mich nur acht Tage in Haft lassen. – Ich werde also, Herr Abbate, das Vergnügen haben, diese Woche in Ihrer Gesellschaft zu verbringen.«+»Ich bin ihm nirgends begegnet; gestern aber wurde ich vom [[glossary:state_inquisitors|Inquisition]]ssekretär angesprochen. Er sagte mir, ich müsse die Unhöflichkeiten des Barons vergessen und mich mit dem Offizier, der bei ihm wäre, als Gefangener nach dem Fort Sant' Andrea begeben; er versicherte mir zugleich, er werde mich nur acht Tage in Haft lassen. – Ich werde also, Herr Abbate, das Vergnügen haben, diese Woche in Ihrer Gesellschaft zu verbringen.«
  
 Ich antwortete ihm: seit vierundzwanzig Stunden sei ich frei; um ihm jedoch meine Dankbarkeit für das mir erzeigte Vertrauen zu beweisen, werde ich selber die Ehre haben, ihm Gesellschaft zu leisten. – Da ich mich bereits dem Major gegenüber verpflichtet hatte, so war dies eine Anstandslüge, die sich durch die Gebote der Höflichkeit entschuldigen läßt. Ich antwortete ihm: seit vierundzwanzig Stunden sei ich frei; um ihm jedoch meine Dankbarkeit für das mir erzeigte Vertrauen zu beweisen, werde ich selber die Ehre haben, ihm Gesellschaft zu leisten. – Da ich mich bereits dem Major gegenüber verpflichtet hatte, so war dies eine Anstandslüge, die sich durch die Gebote der Höflichkeit entschuldigen läßt.
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