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- | In der Festung, worin die Republik für gewöhnlich nur eine Garnison von hundert slavonischen Invaliden unterhielt, befanden sich damals zweitausend Albansen, sogenannte Cimarioten. Der Kriegsminister, | + | In der Festung, worin die Republik für gewöhnlich nur eine Garnison von hundert |
Der Oberstleutnant konnte weder lesen noch schreiben, aber er schämte sich dessen nicht; denn mit Ausnahme des Priesters und Wundarztes besaß niemand dieses Talent. Alle, Offiziere wie Soldaten, hatten die Taschen voll Gold, und mindestens die Hälfte von ihnen war verheiratet. Es befanden sich daher in der Festung fünf- oder sechshundert Frauen und ein stattlicher Nachwuchs von Kindern. Dieses für mich neue Schauspiel interessierte mich sehr. Glückliche Jugend! Ich denke an dich mit Bedauern, weil du mir oft Neues botest. Darum verabscheue ich das Alter, das mir nur immer Bekanntes bringt – allenfalls abgesehen von dem oft Unerfreulichen und Furchtbaren, | Der Oberstleutnant konnte weder lesen noch schreiben, aber er schämte sich dessen nicht; denn mit Ausnahme des Priesters und Wundarztes besaß niemand dieses Talent. Alle, Offiziere wie Soldaten, hatten die Taschen voll Gold, und mindestens die Hälfte von ihnen war verheiratet. Es befanden sich daher in der Festung fünf- oder sechshundert Frauen und ein stattlicher Nachwuchs von Kindern. Dieses für mich neue Schauspiel interessierte mich sehr. Glückliche Jugend! Ich denke an dich mit Bedauern, weil du mir oft Neues botest. Darum verabscheue ich das Alter, das mir nur immer Bekanntes bringt – allenfalls abgesehen von dem oft Unerfreulichen und Furchtbaren, | ||
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Einige Tage später hatte ich wirklich Grund, die Bekanntschaft der Griechin zu bedauern. Es war am Himmelfahrtstage, | Einige Tage später hatte ich wirklich Grund, die Bekanntschaft der Griechin zu bedauern. Es war am Himmelfahrtstage, | ||
- | Meiner Mutter hatte ich mit allen Einzelheiten geschrieben, | + | Meiner Mutter hatte ich mit allen Einzelheiten geschrieben, |
– Diese letztere Zusage war eine Betrügerei; | – Diese letztere Zusage war eine Betrügerei; | ||
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und erzählte mir: »Ich bin der Graf Bonafede. In jungen Jahren diente ich unter dem Prinzen Eugen; doch verließ ich den Militärdienst und trat als Beamter in den österreichischen Verwaltungsdienst über; infolge eines Zweikampfes ging ich später nach Bayern. Dort, in München, machte ich die Bekanntschaft einer jungen Dame von Adel, entführte sie und ging mit ihr nach Venedig, wo ich sie heiratete. Seit zwanzig Iahren lebe ich hier; ich habe sechs Kinder und bin in der ganzen Stadt bekannt. Vor acht Tagen schickte ich meinen Lakai auf die flandrische Post, um meine Briefe abzuholen; man wollte sie ihm aber nicht aushändigen, | und erzählte mir: »Ich bin der Graf Bonafede. In jungen Jahren diente ich unter dem Prinzen Eugen; doch verließ ich den Militärdienst und trat als Beamter in den österreichischen Verwaltungsdienst über; infolge eines Zweikampfes ging ich später nach Bayern. Dort, in München, machte ich die Bekanntschaft einer jungen Dame von Adel, entführte sie und ging mit ihr nach Venedig, wo ich sie heiratete. Seit zwanzig Iahren lebe ich hier; ich habe sechs Kinder und bin in der ganzen Stadt bekannt. Vor acht Tagen schickte ich meinen Lakai auf die flandrische Post, um meine Briefe abzuholen; man wollte sie ihm aber nicht aushändigen, | ||
- | »Ich bin ihm nirgends begegnet; gestern aber wurde ich vom Inquisitionssekretär | + | »Ich bin ihm nirgends begegnet; gestern aber wurde ich vom [[glossary: |
Ich antwortete ihm: seit vierundzwanzig Stunden sei ich frei; um ihm jedoch meine Dankbarkeit für das mir erzeigte Vertrauen zu beweisen, werde ich selber die Ehre haben, ihm Gesellschaft zu leisten. – Da ich mich bereits dem Major gegenüber verpflichtet hatte, so war dies eine Anstandslüge, | Ich antwortete ihm: seit vierundzwanzig Stunden sei ich frei; um ihm jedoch meine Dankbarkeit für das mir erzeigte Vertrauen zu beweisen, werde ich selber die Ehre haben, ihm Gesellschaft zu leisten. – Da ich mich bereits dem Major gegenüber verpflichtet hatte, so war dies eine Anstandslüge, |
edition/conrad/007.1294616026.txt.gz · Last modified: 2011/01/10 00:33 by selfthinker