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»Bei mir,« antwortete er, »wenn es Ihnen recht ist, mit dem Herrn Koch, dessen Frau an Bord der Tartane bleibt, in einem großen Bett zu schlafen.« | »Bei mir,« antwortete er, »wenn es Ihnen recht ist, mit dem Herrn Koch, dessen Frau an Bord der Tartane bleibt, in einem großen Bett zu schlafen.« | ||
- | Ich konnte nichts Besseres tun, als dieses Anerbieten anzunehmen; ein Matrose nahm meinen Koffer auf die Schulter und führte mich zum Hause des wackeren Schiffers. Mein Koffer mußte unter das Bett geschoben werden, denn dieses Bett füllte die ganze Kammer aus. Ich lachte darüber, denn es kam mir nicht zu, den Heiklen zu spielen. Ich ging ins Wirtshaus, um zu essen, und besah mir hierauf den Ort. Chiozza ist eine Halbinsel und hat einen Seehafen, der zur Republik Venedig gehört; seine zehntausend Einwohner bestehen meistens aus Matrosen, Fischern, Kaufleuten, Zollwächtern und Steuer- oder Finanzbeamten der Republik. | + | Ich konnte nichts Besseres tun, als dieses Anerbieten anzunehmen; ein Matrose nahm meinen Koffer auf die Schulter und führte mich zum Hause des wackeren Schiffers. Mein Koffer mußte unter das Bett geschoben werden, denn dieses Bett füllte die ganze Kammer aus. Ich lachte darüber, denn es kam mir nicht zu, den Heiklen zu spielen. Ich ging ins Wirtshaus, um zu essen, und besah mir hierauf den Ort. Chiozza ist eine Halbinsel und hat einen Seehafen, der zur Republik |
Ich bemerke ein Kaffeehaus und trete ein. Kaum bin ich drinnen, da kommt ein junger Doktor der Rechte, mit dem ich in Padua studiert hatte, auf mich zu, umarmt mich und stellt mich einem Apotheker vor, dessen Apotheke gleich nebenan lag. Er sagte mir, bei ihm versammelten sich alle literarisch gebildeten Leute. Kurz darauf kam ein einäugiger großer Jakobinermönch, | Ich bemerke ein Kaffeehaus und trete ein. Kaum bin ich drinnen, da kommt ein junger Doktor der Rechte, mit dem ich in Padua studiert hatte, auf mich zu, umarmt mich und stellt mich einem Apotheker vor, dessen Apotheke gleich nebenan lag. Er sagte mir, bei ihm versammelten sich alle literarisch gebildeten Leute. Kurz darauf kam ein einäugiger großer Jakobinermönch, | ||
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Ich frage den Leser: wie kann man sich des Aberglaubens erwehren, wenn man solche Erlebnisse hat? Am erstaunlichsten ist in diesem Fall, wie es gerade auf die Minute eintraf: Der Mönch erschien gerade in dem Augenblick, wo ich den Mund auftun wollte. Noch mehr war ich erstaunt über die Macht der Vorsehung, des Glücks, des Zufalles oder wie man es nennen will, mit einem Wort über das ganz notwendige Zusammentreffen verschiedener Umstände, das mir keine andere Wahl ließ als alle meine Hoffnungen nur auf diesen Mönch zu setzen, der in Chiozza in demselben Augenblick, wo meine Not begann, mein Schutzgeist geworden war. | Ich frage den Leser: wie kann man sich des Aberglaubens erwehren, wenn man solche Erlebnisse hat? Am erstaunlichsten ist in diesem Fall, wie es gerade auf die Minute eintraf: Der Mönch erschien gerade in dem Augenblick, wo ich den Mund auftun wollte. Noch mehr war ich erstaunt über die Macht der Vorsehung, des Glücks, des Zufalles oder wie man es nennen will, mit einem Wort über das ganz notwendige Zusammentreffen verschiedener Umstände, das mir keine andere Wahl ließ als alle meine Hoffnungen nur auf diesen Mönch zu setzen, der in Chiozza in demselben Augenblick, wo meine Not begann, mein Schutzgeist geworden war. | ||
Und was für ein Schutzgeist, | Und was für ein Schutzgeist, | ||
- | Sein Erscheinen war jedoch nur angenehm, denn ich zweifelte nicht einen Augenblick daran, daß er mich aus der Verlegenheit ziehen würde. Und mochte er mir vom Himmel oder von der Hölle zugesandt worden sein – ich fühlte, daß ich nichts Besseres tun konnte, mich seinem Einfluß zu unterwerfen. Seine ihm von Schicksal zugewiesene Bestimmung war es mich nach Rom zu bringen. | + | Sein Erscheinen war jedoch nur angenehm, denn ich zweifelte nicht einen Augenblick daran, daß er mich aus der Verlegenheit ziehen würde. Und mochte er mir vom Himmel oder von der Hölle zugesandt worden sein – ich fühlte, daß ich nichts Besseres tun konnte, mich seinem Einfluß zu unterwerfen. Seine ihm von Schicksal zugewiesene Bestimmung war es mich nach [[glossary: |
<q :it>Chi va piano va sano</ | <q :it>Chi va piano va sano</ |
edition/conrad/008.txt · Last modified: 2011/01/09 21:43 by selfthinker