edition:conrad:008

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 »Bei mir,« antwortete er, »wenn es Ihnen recht ist, mit dem Herrn Koch, dessen Frau an Bord der Tartane bleibt, in einem großen Bett zu schlafen.« »Bei mir,« antwortete er, »wenn es Ihnen recht ist, mit dem Herrn Koch, dessen Frau an Bord der Tartane bleibt, in einem großen Bett zu schlafen.«
  
-Ich konnte nichts Besseres tun, als dieses Anerbieten anzunehmen; ein Matrose nahm meinen Koffer auf die Schulter und führte mich zum Hause des wackeren Schiffers. Mein Koffer mußte unter das Bett geschoben werden, denn dieses Bett füllte die ganze Kammer aus. Ich lachte darüber, denn es kam mir nicht zu, den Heiklen zu spielen. Ich ging ins Wirtshaus, um zu essen, und besah mir hierauf den Ort. Chiozza ist eine Halbinsel und hat einen Seehafen, der zur Republik Venedig gehört; seine zehntausend Einwohner bestehen meistens aus Matrosen, Fischern, Kaufleuten, Zollwächtern und Steuer- oder Finanzbeamten der Republik.+Ich konnte nichts Besseres tun, als dieses Anerbieten anzunehmen; ein Matrose nahm meinen Koffer auf die Schulter und führte mich zum Hause des wackeren Schiffers. Mein Koffer mußte unter das Bett geschoben werden, denn dieses Bett füllte die ganze Kammer aus. Ich lachte darüber, denn es kam mir nicht zu, den Heiklen zu spielen. Ich ging ins Wirtshaus, um zu essen, und besah mir hierauf den Ort. Chiozza ist eine Halbinsel und hat einen Seehafen, der zur Republik [[glossary:Venice|Venedig]] gehört; seine zehntausend Einwohner bestehen meistens aus Matrosen, Fischern, Kaufleuten, Zollwächtern und Steuer- oder Finanzbeamten der Republik.
 Ich bemerke ein Kaffeehaus und trete ein. Kaum bin ich drinnen, da kommt ein junger Doktor der Rechte, mit dem ich in Padua studiert hatte, auf mich zu, umarmt mich und stellt mich einem Apotheker vor, dessen Apotheke gleich nebenan lag. Er sagte mir, bei ihm versammelten sich alle literarisch gebildeten Leute. Kurz darauf kam ein einäugiger großer Jakobinermönch, den ich von Venedig her kannte, namens Corsini, und begrüßte mich auf die höflichste Weise. Er sagte mir, ich käme gerade zur rechten Zeit, um dem Picknick der makkaronischen Akademiker beizuwohnen, das am nächsten Tage nach einer Sitzung der Akademie stattfinden sollte und wobei jedes Mitglied ein Gedicht eigener Mache vortrage. Er lud mich ein daran teilzunehmen und der Vereinigung die Ehre zu erweisen, daß ich ihr eines meiner Geisterzeugnisse mitteilte. Ich nahm an und wurde durch Zuruf als Mitglied aufgenommen, nachdem ich zehn Stanzen vorgelesen, die ich für diesen Anlaß gedichtet hatte. Bei Tisch machte ich eine noch bessere Figur als bei der Sitzung, denn ich aß so viel Makkaroni, daß man mich als Fürsten ausrief. Ich bemerke ein Kaffeehaus und trete ein. Kaum bin ich drinnen, da kommt ein junger Doktor der Rechte, mit dem ich in Padua studiert hatte, auf mich zu, umarmt mich und stellt mich einem Apotheker vor, dessen Apotheke gleich nebenan lag. Er sagte mir, bei ihm versammelten sich alle literarisch gebildeten Leute. Kurz darauf kam ein einäugiger großer Jakobinermönch, den ich von Venedig her kannte, namens Corsini, und begrüßte mich auf die höflichste Weise. Er sagte mir, ich käme gerade zur rechten Zeit, um dem Picknick der makkaronischen Akademiker beizuwohnen, das am nächsten Tage nach einer Sitzung der Akademie stattfinden sollte und wobei jedes Mitglied ein Gedicht eigener Mache vortrage. Er lud mich ein daran teilzunehmen und der Vereinigung die Ehre zu erweisen, daß ich ihr eines meiner Geisterzeugnisse mitteilte. Ich nahm an und wurde durch Zuruf als Mitglied aufgenommen, nachdem ich zehn Stanzen vorgelesen, die ich für diesen Anlaß gedichtet hatte. Bei Tisch machte ich eine noch bessere Figur als bei der Sitzung, denn ich aß so viel Makkaroni, daß man mich als Fürsten ausrief.
  
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 Ich frage den Leser: wie kann man sich des Aberglaubens erwehren, wenn man solche Erlebnisse hat? Am erstaunlichsten ist in diesem Fall, wie es gerade auf die Minute eintraf: Der Mönch erschien gerade in dem Augenblick, wo ich den Mund auftun wollte. Noch mehr war ich erstaunt über die Macht der Vorsehung, des Glücks, des Zufalles oder wie man es nennen will, mit einem Wort über das ganz notwendige Zusammentreffen verschiedener Umstände, das mir keine andere Wahl ließ als alle meine Hoffnungen nur auf diesen Mönch zu setzen, der in Chiozza in demselben Augenblick, wo meine Not begann, mein Schutzgeist geworden war. Ich frage den Leser: wie kann man sich des Aberglaubens erwehren, wenn man solche Erlebnisse hat? Am erstaunlichsten ist in diesem Fall, wie es gerade auf die Minute eintraf: Der Mönch erschien gerade in dem Augenblick, wo ich den Mund auftun wollte. Noch mehr war ich erstaunt über die Macht der Vorsehung, des Glücks, des Zufalles oder wie man es nennen will, mit einem Wort über das ganz notwendige Zusammentreffen verschiedener Umstände, das mir keine andere Wahl ließ als alle meine Hoffnungen nur auf diesen Mönch zu setzen, der in Chiozza in demselben Augenblick, wo meine Not begann, mein Schutzgeist geworden war.
 Und was für ein Schutzgeist, dieser Steffano! Ich muß in dieser Macht des Schicksals mehr eine Strafe als eine Gunst erkennen. Und was für ein Schutzgeist, dieser Steffano! Ich muß in dieser Macht des Schicksals mehr eine Strafe als eine Gunst erkennen.
-Sein Erscheinen war jedoch nur angenehm, denn ich zweifelte nicht einen Augenblick daran, daß er mich aus der Verlegenheit ziehen würde. Und mochte er mir vom Himmel oder von der Hölle zugesandt worden sein – ich fühlte, daß ich nichts Besseres tun konnte, mich seinem Einfluß zu unterwerfen. Seine ihm von Schicksal zugewiesene Bestimmung war es mich nach Rom zu bringen.+Sein Erscheinen war jedoch nur angenehm, denn ich zweifelte nicht einen Augenblick daran, daß er mich aus der Verlegenheit ziehen würde. Und mochte er mir vom Himmel oder von der Hölle zugesandt worden sein – ich fühlte, daß ich nichts Besseres tun konnte, mich seinem Einfluß zu unterwerfen. Seine ihm von Schicksal zugewiesene Bestimmung war es mich nach [[glossary:Rome|Rom]] zu bringen.
  
 <q :it>Chi va piano va sano</q>, sagte nur der Mönch, sobald wir allein waren. Er hatte fünf Tage gebraucht, um den Weg zurückzulegen, den ich in einem Tage gemacht hatte; aber er war wohlauf und hatte keinerlei Unfall gehabt. Er erzählte nur, man habe ihm, als er vorübergekommen sei, gesagt, der Abbate, der als Sekretär beim venetianischen Botschafter eintreten solle, liege krank im Gasthof, nachdem er in Valcimara bestohlen worden sei. <q :it>Chi va piano va sano</q>, sagte nur der Mönch, sobald wir allein waren. Er hatte fünf Tage gebraucht, um den Weg zurückzulegen, den ich in einem Tage gemacht hatte; aber er war wohlauf und hatte keinerlei Unfall gehabt. Er erzählte nur, man habe ihm, als er vorübergekommen sei, gesagt, der Abbate, der als Sekretär beim venetianischen Botschafter eintreten solle, liege krank im Gasthof, nachdem er in Valcimara bestohlen worden sei.
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