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 Welche Rachepläne wälzte ich in meinem Herzen, als ich in einem Handspiegel sah, in was für einen Zustand der freche Priester mich versetzt hatte! Auf den Lärm, den ich schlug, lief meine Großmutter herzu, und während mein Bruder lachte, versicherte mir die gute Alte, wenn sie von den Absichten des Pfarrers nur eine Ahnung gehabt, so hätte sie sich wohl gehütet, ihn hereinzulassen. Endlich gelang es ihr, mich ein wenig zu beruhigen, indem sie mir zugab, daß der Priester die Grenzen einer erlaubten Züchtigung überschritten habe. Welche Rachepläne wälzte ich in meinem Herzen, als ich in einem Handspiegel sah, in was für einen Zustand der freche Priester mich versetzt hatte! Auf den Lärm, den ich schlug, lief meine Großmutter herzu, und während mein Bruder lachte, versicherte mir die gute Alte, wenn sie von den Absichten des Pfarrers nur eine Ahnung gehabt, so hätte sie sich wohl gehütet, ihn hereinzulassen. Endlich gelang es ihr, mich ein wenig zu beruhigen, indem sie mir zugab, daß der Priester die Grenzen einer erlaubten Züchtigung überschritten habe.
  
-Entschlossen, mich zu rächen, brütete ich beim Ankleiden über hundert schwarzen Plänen. Mir dünkte, ich hätte das Recht, mich blutig zu rächen, und kein Gesetz könnte mir dafür etwas anhaben. Da die Theater geöffnet waren, ging ich in Maske aus und begab mich zum Advokaten Carrara, den ich im Haufe des Senators kennengelernt hatte. Ich fragte ihn, ob ich den Pfarrer gerichtlich belangen könnte, und er sagte mir, vor kurzer Zeit sei eine ganze Familie zugrunde gerichtet, weil einem Slavonier der Schnurrbart abgeschnitten worden, und ein Bart sei doch viel weniger als eine ganze Kopffrisur. Wenn ich dem Pfarrer einen Prozeß anhängen wollte, bei dem ihm nicht wohl sein würde, so brauchte ich nur zu befehlen. Ich erklärte mich einverstanden und bat ihn, am Abend Herrn von Malipiero zu sagen, warum ich nicht kommen könnte; denn natürlich konnte ich mich nicht eher sehen lassen, als bis meine Haare wieder gewachsen waren.+Entschlossen, mich zu rächen, brütete ich beim Ankleiden über hundert schwarzen Plänen. Mir dünkte, ich hätte das Recht, mich blutig zu rächen, und kein Gesetz könnte mir dafür etwas anhaben. Da die Theater geöffnet waren, ging ich in Maske aus und begab mich zum Advokaten Carrara, den ich im Haufe des Senators kennengelernt hatte. Ich fragte ihn, ob ich den Pfarrer gerichtlich belangen könnte, und er sagte mir, vor kurzer Zeit sei eine ganze Familie zugrunde gerichtet, weil einem [[glossary:slavonia|Slavonier]] der Schnurrbart abgeschnitten worden, und ein Bart sei doch viel weniger als eine ganze Kopffrisur. Wenn ich dem Pfarrer einen Prozeß anhängen wollte, bei dem ihm nicht wohl sein würde, so brauchte ich nur zu befehlen. Ich erklärte mich einverstanden und bat ihn, am Abend Herrn von Malipiero zu sagen, warum ich nicht kommen könnte; denn natürlich konnte ich mich nicht eher sehen lassen, als bis meine Haare wieder gewachsen waren.
  
 Ich ging nach Hause, um mit meinem Bruder eine Mahlzeit einzunehmen, die im Vergleich mit der Tafel des alten Senators sehr dürftig war. Die Entbehrung der seinen Kost, an die Seine Exzellenz mich gewöhnt hatte, war auch eine von den empfindlichsten Folgen, die der Racheakt des Pfarrers – der noch dazu mein Taufpate war – für mich zu bedeuten hatte. Ich weinte vor Verdruß bittere Tränen, und ich war um so verdrießlicher, da ich wohl fühlte, daß der mir angetane Schimpf etwas Komisches an sich hatte, das mich lächerlich machte; und dies entehrte mich in meinen Augen mehr als ein Verbrechen. Ich ging nach Hause, um mit meinem Bruder eine Mahlzeit einzunehmen, die im Vergleich mit der Tafel des alten Senators sehr dürftig war. Die Entbehrung der seinen Kost, an die Seine Exzellenz mich gewöhnt hatte, war auch eine von den empfindlichsten Folgen, die der Racheakt des Pfarrers – der noch dazu mein Taufpate war – für mich zu bedeuten hatte. Ich weinte vor Verdruß bittere Tränen, und ich war um so verdrießlicher, da ich wohl fühlte, daß der mir angetane Schimpf etwas Komisches an sich hatte, das mich lächerlich machte; und dies entehrte mich in meinen Augen mehr als ein Verbrechen.
edition/conrad/004.txt · Last modified: 2011/01/30 01:53 by selfthinker